Schrittmacher der Blasmusik – Wie geht Vereins- und Orchesterentwicklung?

Schrittmacher der Blasmusik – Wie geht Vereins- und Orchesterentwicklung?

»Ein Konzert ist dann gut, wenn es für das Publikum ein Hörgenuss ist. Es muss auf der Bühne das Feuer zwischen den Musiker entfach werden, das Orchester ausdrucksvoll, emotional und mit Leidenschaft musizieren. Voraussetzung hierfür ist ein handwerkliches sehr hohes Niveau.« Davon ist Dirigent Manuel Epli (*1983) überzeugt. Dass er und seine Bläserphilharmonie der Stadt Blaustein über diese musikalische und handwerkliche Finesse verfügen, haben sie schon mehrfach unter Beweis gestellt. Zu seinen größten Erfolgen zählen, neben vielen ausverkauften Konzerten, eine Wertung mit 97 von 100 Punkten bei einem Wertungsspiel der Höchstklasse (Kategorie 6) im Allgäu-Schwäbischen Musikbund, besonders aber der Ritterschlag des 1. Platzes in der Kategorie B1 beim Deutschen Orchesterwettbewerb 2016 in Ulm.

Bereits seit 2004 leitet Manuel Epli die Bläserphilharmonie der Stadt Blaustein. »Es freut mich sehr, dass es uns gemeinsam – den Musikerinnen und Musikern, der Vorstandschaft und mir – in dieser Zeit gelungen ist, neben dem technischen Niveau insbesondere die musikalische Abbildungstiefe des Orchesters extrem zu steigern«, so Epli. Dabei ist Musik für ihn off enbar gar nicht so kompliziert: »Es geht um sehr einfache Dinge. Zu früh oder zu spät. Zu hoch oder zu tief. Zu langsam oder zu schnell. Zu hart oder zu weich. Zu laut oder zu leise. Von der Klangfarbe her zu hell oder zu dunkel.« Manuel Epli versucht musikalische Zusammenhänge immer möglichst einfach zu beschreiben. Vielleicht ist das eines seiner Erfolgsrezepte?

In den Proben geht es ihm um eine ganzheitliche Einstudierung eines Werkes – um handwerkliche und technische Perfektion, und um das künstlerisch und musikalisch bestmögliche Resultat. »Vor einiger Zeit habe ich in einem Interview einen Satz gelesen, der mich nachdenklich gestimmt hat, weil dieser Satz vielleicht auch für eine Strömung in unserer Blasorchesterszene steht: ›Musik entsteht aus dem Moment heraus.‹ Oftmals wird dann noch nachgeschoben, dass handwerkliche Perfektion nicht so wichtig sei, da es schließlich um Spielfreude, Musikalität, Emotionen etc. gehe«, erzählt Epli. Natürlich gehe es auch um das, aber
eben nicht nur. »Denn all das kann eben nicht entstehen, wenn die Basis fehlt – eine grundsolide Beherrschung des Werks in handwerklicher und technischer Hinsicht.«

Damit Musik überhaupt entstehen kann, ist für Epli eine gewissenhafte und detailverliebte Einstudierung der Werke notwendig. Dazu gehört es, jedes Werk sowohl technisch wie auch musikalisch in seiner Tiefe zu durchdringen; jeder Musiker muss zu jedem Zeitpunkt des Konzerts wissen, was es zu tun gibt. »Wenn die Werke gut einstudiert sind und das künstlerische Konzept mit dem Orchester erarbeitet wurde, kann eine mitreißende Aufführung möglich werden. Damit das gelingt, müssen Orchester und Dirigent die Motivation haben, gemeinsam ein musikalisches Feuerwerk zu entfachen. Im Idealfall fügt der Dirigent…

Alexandra Link (Eurowinds): Was gehört zu einer positiven Orchester- und Vereinsentwicklung?

Manuel Epli: Alle Beteiligten müssen wissen, wohin die Reise gehen soll. Das Orchester und die Vorstandschaft sollten sich gemeinsam auf Ziele verständigen, die dann konsequent umgesetzt werden. Es muss zumindest einen Vier-Jahres-Plan geben, aus dem die Jahresziele abgeleitet werden. Der Verein sollte über ein zeitgemäßes und nachhaltiges Konzept für die Jugendausbildung verfügen. Der Instrumentalunterricht darf hier nicht von Amateurmusikern erteilt werden; in allen Bereichen (Bläserklasse,
Jugendorchester und Hauptorchester) muss der Verein gut ausgebildete Dirigenten beschäftigen.

Was ist ein »gut ausgebildeter Dirigent«?

Ab der Oberstufe sollte der Dirigent eine mindestens dreijährige Ausbildung mit regelmäßigem – im Idealfall wöchentlichem – Unterricht durchlaufen haben. Ob diese an einer Hochschule oder im Rahmen eines privaten Unterrichtsangebots erfolgt ist, spielt dabei keine Rolle. Der Dirigent muss genügend Zeit haben, sich intensiv um den Verein und das Orchester zu kümmern. Wenn ein Dirigent vier oder fünf Orchester leitet, kann er sich nicht in der Weise um jedes Ensemble kümmern, wie es notwendig wäre. Deshalb braucht der Blasorchesterbereich dringend mehr gut ausgebildete und motivierte Amateurdirigenten, die nur ein Orchester dirigieren und entsprechend Zeit mitbringen. Außerdem sollte der Verein über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Es müssen jährlich ungefähr 5.000 Euro frei einsetzbar sein, etwa für den Kauf eines neuen Instruments oder um ein Marketingkonzept zu realisieren. Die Umsetzung dieser Punkte ist ohne Unterstützung durch die öffentliche Hand, ein Sponsoringkonzept oder einen Orchesterbeitrag kaum möglich.

Eine Theorie besagt, dass sich ein (Musik-)Verein im Spannungsfeld zwischen Mission, Qualität und Wirtschaftlichkeit bewegt.

Der Begriff »Mission« wird oft mit den Begriffen »Vision« und »Ziel« durcheinandergeworfen. Eine Vision ist für mich eine Leitidee, die Mission die schriftliche Ausformulierung dieser Vision. Ziele sind konkreter und geben die Rahmenbedingung für konkrete Handlungsansätze an. Basis für die erfolgreiche Umsetzung einer Mission sind für mich die Begriffe »Qualität« und »Wirtschaftlichkeit«. Ist die Mission realistisch definiert, so ist »Qualität« ein Bestandteil der Realisierung. Die »Wirtschaftlichkeit« muss natürlich gegeben sein, aber ein Verein muss keinen Gewinn erwirtschaften.

Von welchen Faktoren hängt die Entwicklung eines Musikvereins ab?

Die strukturelle und organisatorische Entwicklung ist die Voraussetzung für eine gesunde musikalische Entwicklung. Eine kurzfristige musikalische Entwicklung ist zwar auch ohne die beiden anderen Entwicklungsstränge möglich, allerdings ist diese dann nicht nachhaltig. Ab einem gewissen Niveau bedingen sich alle drei Entwicklungsstränge wechselseitig. Hat ein Verein etwa Defizite in der Organisation, wird die musikalische Entwicklung behindert.

Was schlagen Sie in diesem Fall vor?

Zuständigkeiten müssen durch klare Aufgabenbeschreibungen definiert und voneinander abgegrenzt werden. Wichtig ist eine Aufgabenübersicht mit allen über das Jahr anfallenden Arbeiten. Jede Sitzung wird mit einer Tagesordnung vorbereitet. Keine Einladung ohne klare Tagesordnung. Den Punkt »Verschiedenes« gibt es nicht. Von jeder Sitzung wird ein kurzes Ergebnisprotokoll erstellt, wer was bis wann zu erledigen hat. Zu Beginn der nächsten Sitzung werden die Ergebnisse dieser kleinen Meilensteine besprochen. Der vertikale und horizontale Informationsfluss muss vollständig und schnell sein. Vertikal heißt hier von der Vorstandschaft über das Orchestermanagement ins Orchester. Horizontal meint den Informationsfluss innerhalb des Vorstands oder des Orchestermanagements.

Was verstehen Sie unter strukturellen Problemen?

Ist die Grundstruktur des Vereins nicht ideal, führt das ebenso zu Problemen im Bereich der musikalischen Entwicklung. Beliebtes Beispiel: die vereinseigene Musikschule. Wenn hier keine guten, professionellen Lehrer unterrichten, ist die musikalische Entwicklung des Orchesters oder Vereins unmöglich. Selbst der beste Dirigent kann dann musikalisch wenig erreichen. Ein Orchester ist nur so gut wie seine musikalische Substanz, das heißt der Ausbildungsstand jedes einzelnen Musikers.

Tragen Wettbewerbe oder Wertungsspiele zur Weiterentwicklung bei?

Meiner Erfahrung nach wird bei der Vorbereitung auf ein Wertungsspiel oder einen Wettbewerb doch genauer gearbeitet als bei einem Konzert. Im Idealfall bekommt man – zumindest beim Wertungsspiel – eine professionelle Rückmeldung der Jury, in welchen Bereichen Entwicklungspotenzial besteht.

Schlechter Probenbesuch, unpünktlicher Probenbeginn, Unzuverlässigkeit von Musikern… Wie gehen Sie damit um?

Die Frage ist für mich schwierig zu beantworten. Ich dirigiere mit der Bläserphilharmonie der Stadt Blaustein nur ein einziges Orchester. In diesem ist der Probenbesuch gut und die Proben beginnen pünktlich. Es ist auch jedem Musiker klar, dass die Gruppe – und damit das Ergebnis – leidet, wenn auf den einzelnen Musiker kein Verlass ist. Die Vorstandschaft, das Orchestermanagement und ich haben an diesen Punkten viele Jahre intensiv gearbeitet. Die Entwicklung eines Orchesters in diesem Bereich ist ein jahrelanger Prozess. Man braucht gute Konzepte, darf nicht zu früh aufgeben und muss auch bereit sein, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Wenn ein Orchester solche Probleme nicht löst, hat es früher oder später ein riesiges Problem: Alles geht bergab. Angefangenbei der Motivation der Musiker und des Dirigenten, über die musikalische Leistungsfähigkeit des Orchesters bis hin zur…

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